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Unter Mitwirkung von 400asa, Paolo Fusi, sowie der Volxtheaterkarawane (Wien)
und vielen weiteren Zeugen und Zeuginnen der Polizeigewalt in Genua im Juli
2001.
Bericht: Volxtheater (Wien)
begann um 14h und dauerte bis nach
Mitternacht. Den Rahmen des Tribunals inszenierte die Schweizer Theatergruppe
400 asa: Sie stellten im ersten Teil im brechtschen Verfremdungsstile das
Gericht vor: Am Podium nahmen Platz: Mehrere PflichtverteidigerInnen von
Berlusconi, die als Einleitungsstatement Allgemeinblabla von sich gaben;
der Richter - wobei ein Stuhl für den Hauptrichter, das Publikum, leer
blieb - und der Ankläger, Paolo Fusi, freier Wirtschaftsjournalist
aus Mailand. Immer wieder begleitet vom Gerichtsmusiker Ted (Goldene Zitronen),
der dramatisierte.
Im 2. Hauptteil sagten ZeugInnen und Betroffene von den Menschenrechtsverletzungen
in Genua aus. (demnächst gibt es eine detaillierte Dokumentation auf
unserer homepage und auf www.memoria.ch) Zuerst Berichte von Schweizern:
Einer unter ihnen war in der Schule Diaz zusammengeprügelt worden und
ins Krankenhaus und danach in die Kaserne Bolzaneto gekommen. Nach wie vor
droht Anklage.
Ein anderer berichtete darüber, dass er während den Demonstration
geprügelt, verhaftet und nach Bolzaneto kam, dann aber wieder auf die
Strasse gesetzt wurde, weil er noch minderjährig war.
6 der 10er-Gruppe aus Deutschland, die wie die Karawane erst nach dem G8-Gipfel
außerhalb von Genua verhaftet wurden und insgesamt 6 Wochen im Gefängnis
waren, lasen aus ihren Gedächtnisprotokollen von der Verhaftung und
den Folterungen auf der Polizeistation und im Gefängnis. Bei den Schilderungen
wurde bedrückend klar, wie ähnlich die Erlebnisse zu denen von
uns und anderen Betroffenen waren, z.b. nackt den Boden putzen zu lassen
und dabei zu prügeln war eine bei der Polizei beliebte
Behandlungsmethode. Den Deutschen droht ebenso wie der Karawane nach wie
vor eine Anklage wegen krimineller Vereinigung.
Danach schilderte ein Französin, die mit ihrem 4 jährigen Sohn
nach Bern gekommen war, wie sie nachdem sie für ein paar Schritte in
die rote Zone gekommen war, von Verprügelungen und ihren Erlebnissen
in Bolzaneto. Ihr Prozess wir wahrscheinlich in den kommenden Monaten zu
erwarten sein. (Widerstand, Eindringen in militärische Zone). Sie hat
gegen die Polizei auch geklagt.
Einen wesentlichen Schwerpunkt bildeten Aussagen und Videodokumente zu den
Vorfällen in der Schule Diaz und in der Kaserne Bolzaneto.
Nach einer Pause am Abend berichteten 5 VertreterInnen der VolxTheaterKarawane
von ihren Erlebnissen bei der Verhaftung und in der Polizeistation San Giuliani
(nachzulesen auch unter www.no-racism.net/nobordertour). Danach wurde die
Karawanendokumentation: publixtheatrecaravan.mov gezeigt, um den Gesamtkontext
zu vermitteln.
Die Berichte in einer Marathonsitzung geballt zu hören war für
Publikum/Geschworene/Richter aufreibend, beklemmend, und vor allem für
die ZeugInnen ein emotionaler Flashback.
Der 3. Teil des Tribunals wurde dann wieder von der Theatergruppe 400 asa
und dem Ankläger Paolo Fusi bestritten. Er hatte den Titel: Homo
Berlusconicus Die Gruppe probt im Work in progress an der Erstellung
eines Berlusconi-Bildes.
In ca. 2 Stunden bearbeitete die Gruppe mit Video, Musiksamples, gut recherchierten
Texten, Chören und vor allem mit den verschwörungstheoretischen
Reden von Paolo Fusi, das Bild von Silvio Berlusconi und seinen kriminellen
Machenschaften. Eine assoziative Verkettung, äußerst Berlusconi-fixiert,
(u.a. über seine P2-Logen Tätigkeit, Vertuschungsaktionen, Geldgier,
seine Kindheit, seinen Machismo) Die theatrale Performance zu Hintergründen
und Konsequenzen des Berlusconismus basierte auf Fakten, Originalzitaten
und texten (u.a. Renner: Der Fall Berlusconi, Franzetti: Die Sardinenschlacht,
Ruggieri/Guarino: Berlusconi. Showmaster der Macht, www.societacivile.it)
Am Ende wurde gefragt ob er nun schuldig zu sprechen, sei oder nicht und
was für eine Strafe für ihn angemessen wäre: Das Publikum
kam trotz Vorschlägen wie lebenslang in Disneyland einsperren, 50 Jahre
Kartoffelschälen, 2. Chance im Kommunenleben usw., schnell zu dem Entschluss,
dass nicht in diesen Gerichtskategorien ein Urteil zu fällen ist. Deshalb
am Schluß kein gerichtlicher Urteilsspruch.
Das Tribunal wurde von vielen und auch von uns auf Video aufgezeichnet,
damit möglichst viele Menschen die Möglichkeit haben, die Berichte
zu hören, ihr Urteil zu bilden. Die Protokolle werden auch bald auf
der homepage www.memoria.ch nachzulesen sein.
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